Xanthelasmen

Tangopaso: Mona Lisa infrarot
Ausschnitt eines infrarot- Reflektogramms der Mona Lisa von Leonardo da Vinci. 11 December 2019 Quelle: Wikipedia Autor: Tangopaso, eigenes Foto

Einer von 20 Erwachsenen hat Xanthelasmen. Frauen sind häufiger betroffen. In den allermeisten Fällen  liegen sie um das Auge und hier meist auf der Innenseite (Canthus). Sie sind damit kosmetisch sehr störend. Mediziner fokussieren diesem psychosozialen Aspekt gegenüber jedoch weit mehr auf damit assoziierte Risiken. Mit gutem Grund: jeder Zweite mit Xanthelasmen Fettstoffwechselstörungen hat. [1,17] Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) für Fettstoffwechselstörungen liegt bei ca. 65% (also 13 von 20 Personen) und viele Betroffene ahnen davon nichts. Damit ist die Schnittmenge der beiden Störungen sehr hilfreich für die Diagnostik der Dyslipidämien. Xanthelasmen sind Anlass danach zu fahnden. Auch wenn Xanthelasmen damit nur noch als Begleitsymptom angesehen werden, stellen sie dennoch einen eigenen Störfaktor da, der zu therapieren ist.

Xanthelasmen nur als kosmetische Störung angesichts der wesentlich größeren Problematik einer Fettstoffwechselstörung anzusehen, greift jedoch zu kurz, zumal selbst bei diejenige Hälfte der Patienten, bei denen dann eine solche Dyslipidämie diagnostiziert wird, mit der zugehörigen Therapie hinsichtlich der Xanthelasmen gar nicht profitiert. Denn der Zusammenhang mit einem erhöhten cardiovaskulären Risiko ist keineswegs klar. Er schwankt schwankt in der wissenschaftlichen Literatur von nicht vorhanden bis zu einem 48%igen Herzinfarkt-Risiko. [3] Nur weil die Xanthelasmen vor allem aus Cholesterinderivaten bestehen, ist eine Hypercholesterinämie noch keine hinreichende, ja nicht einmal eine notwendige Bedingung für deren Auftreten. [2]  Auch ein zuwenig von HDL-Cholesterin wäre ein guter Kandidat und Störungen hier werden seit einigen Jahren intensiv diskutiert. [11, 12] Es wird wegen der Gefäßassoziation angenommen, dass das Cholesterin über Lipoproteine auf dem Blutwege an diese Stelle gebracht werden, dafür gibt es jedoch interessanterweise keinen Nachweis – obwohl das für die Annahme eines Zusammenhangs mit Dyslipidämien notwendig wäre. Außerdem sind die Lipidtröpfchen anders als bei experimentell erzeugten Xanthelasmen intrazellulär. Umgekehrt hat eine Hyperlipidämie keine erhöhte Prävalenz von Xanthelasmen. [8] 

Die auf das Cholesterin gerichteten Betrachtungsweise in der Medizin konnte bis heute die Ursachen der Xanthelasmen nicht klären. Nahezu 6.000 wissenschaftliche Publikationen (gemäß pubmed) haben sich in den vergangenen 80 Jahren mit Xanthelasmen beschäftigt – zur Pathogenese findet sich darunter so gut wie nichts, auch wenn sich die Erstbeschreibung von Rayer 1835 bzw. Addison et Gull 1845 (Namensgebung) inzwischen ihrem 200sten Geburtstag nähert. [4] Noch älter scheint die Dokumentation des Auftretens von Xanthelasmen durch Leonardo da Vinci im Bild der Mona Lisa zu sein. [5, 7] Der Begriff leitet sich aus dem Griechischen ab mit xanthos (= gelb) und elasma (= >gehämmerte> Metallplatte). Sie können weich, fest oder verkalkt sein. Meistens sind sie symmetrisch und haben die Tendenz zur Progression. Mit dem Alter nimmt auch die Prävalenz zu.

Histopathologisch zeigen sich perivasculäre Schaumzellen und gelegentlich Touton-Riesenzellen (die aus den Schaumzellen entstehen). Sie enthalten veresterte Cholesterine. Lokale Entzündung kann begleitend sein. Im Unterschied zu Xanthomen an anderen Stellen der Haut zeigt sich histologisch typischewreise keine Fibrose. Die Lipidtröpfchen Es ist diese Ähnlichkeit zu arteriosklerotischen Plaques, die vielleicht den Blick auf andere mögliche Ursachen verstellt haben mag.  Weitere Assoziationen sind beispielsweise eine periorbitale Hyperpigmentation (dunkle Augenringe bei 84% der Betroffenen) oder Kontaktdermatitiden. [6,18] Die auffällige Lokalisation impliziert außerdem lokale (anatomische) Faktoren. Diabetes mellitus und Schilddrüsen Fehlfunktionen sind inzwischen als Risikofaktoren anerkannt. [19]

Therapeutisch werden Xanthelasmen chirurgisch, lasermedizinisch (z.B. Argon-, CO2– oder YAG-Laser), chemisch (z.B. Peeling) oder medikamentös (z.B. Probucol) behandelt. Wichtig ist bei allen interventionellen Verfahren ein für Augenlider ausgewiesener Spezialist, da Augenlider eine hochspezialisierte Anatomie aufweisen, die viel Erfahrung und Geschick im Umgang benötigt. [10] Bei jedem Eingriff gilt auch, was wir zur präoperativen Mikronährstoff-Optimierung empfehlen. Wenn Xanthelasmen entfernt werden konnten, sollte man außerdem in Erinnerung behalten, dass nur ein Symptom verschwunden ist, etwaige weitere Problem jedoch weiter bestehen können. Es gilt die eigenen Risiken zu kennen und ihnen entgegen zu steuern. Das geht.

Parameter, die wir vor diesem Hintergrund untersuchen, weil sie über das Xanthelasma hinaus Bedeutung für den Träger haben, sind

  • Fettstoffwechsel in Hinblick auf periphere Schädigung und Nitrierungsbelastung [9,15]
  • Zuckerstoffwechsel in Hinblick auf sekundäre endokrine Veränderungen [13]
  • Schilddrüsenstoffwechsel in Hinblick auf Störungen im Blut [13]
  • Hyaluronan-Stoffwechsel in Hinblick auf Schaumzellbildung [14,16]

Wir halten es für dringend angeraten, sich neben einer Therapie dieses kosmetisch störenden Symptoms in eigenem Interesse über die Standarddiagnostik hinaus zu orientieren, was man für seine Gesunderhaltung tun kann. Denn gegen Krankheit hilft in der Tat am Besten Gesundheit – da hat Hippocrates bis heute recht.

  1. Bergman R, Kasif Y, Aviram M, Maor I, Ullman Y, Gdal-On M, Friedman-Birnbaum R. Normolipidemic xanthelasma palpebrarum: lipid composition, cholesterol metabolism in monocyte-derived macrophages, and plasma lipid peroxidation. Acta Derm Venereol. 1996 Mar;76(2):107-10. doi: 10.2340/0001555576107110. PMID: 8740261
  2. Christoffersen M, Frikke-Schmidt R, Schnohr P, Jensen GB, Nordestgaard BG, Tybjærg-Hansen A. Xanthelasmata, arcus corneae, and ischaemic vascular disease and death in general population: prospective cohort study. BMJ. 2011 Sep 15;343:d5497. doi: 10.1136/bmj.d5497
  3. Gómez JA, Gónzalez MJ, de Moragas JM, Serrat J, Gónzalez-Sastre F, Pérez M. Apolipoprotein E phenotypes, lipoprotein composition, and xanthelasmas. Arch Dermatol. 1988 Aug;124(8):1230-4. doi: 10.1001/archderm.1988.01670080042015
  4. Hutchinson J. A Clinical Report on Xanthelasma Palpebrarum, and on its significance as a symptom. Med Chir Trans. 1871;54:171-200.1. doi: 10.1177/095952877105400109
  5. Dequeker J, Muls E, Leenders K. Xanthelasma and lipoma in Leonardo da Vinci’s Mona Lisa. Isr Med Assoc J. 2004 Aug;6(8):505-6. PMID: 15326839
  6. Khode S, Tan SHT, Tan EA, Uppal S. Xanthelasma Palpebrarum: More than Meets the Eye. Indian J Otolaryngol Head Neck Surg. 2019 Oct;71(Suppl 1):439-446. doi: 10.1007/s12070-018-1345-0
  7. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Infrared_reflectograms_of_Mona_Lisa.jpg
  8. Bergman R. The pathogenesis and clinical significance of xanthelasma palpebrarum. J Am Acad Dermatol. 1994 Feb;30(2 Pt 1):236-42. doi: 10.1016/s0190-9622(94)70023-0
  9. Hirata Y, Okawa K, Ikeda M, Seike M, Matsumoto M, Kodama H. Low density lipoprotein oxidized in xanthoma tissue induces the formation and infiltration of foam cells. J Dermatol Sci. 2002 Dec;30(3):248-55. doi: 10.1016/s0923-1811(02)00112-3
  10. Rohrich RJ, Janis JE, Pownell PH. Xanthelasma palpebrarum: a review and current management principles. Plast Reconstr Surg. 2002 Oct;110(5):1310-4. doi: 10.1097/01.PRS.0000025626.70065.2B
  11. Probst MC, Thumann H, Aslanidis C, Langmann T, Buechler C, Patsch W, Baralle FE, Dallinga-Thie GM, Geisel J, Keller C, Menys VC, Schmitz G. Screening for functional sequence variations and mutations in ABCA1. Atherosclerosis. 2004 Aug;175(2):269-79. doi: 10.1016/j.atherosclerosis.2004.02.019
  12. Dergunov AD, Savushkin EV, Dergunova LV, Litvinov DY. Significance of Cholesterol-Binding Motifs in ABCA1, ABCG1, and SR-B1 Structure. J Membr Biol. 2019 Feb;252(1):41-60. doi: 10.1007/s00232-018-0056-5
  13. Park JR, Jung TS, Jung JH, Lee GW, Kim MA, Park KJ, Kim DR, Chang SH, Chung SI, Hahm JR. A case of hypothyroidism and type 2 diabetes associated with type V hyperlipoproteinemia and eruptive xanthomas. J Korean Med Sci. 2005 Jun;20(3):502-5. doi: 10.3346/jkms.2005.20.3.502
  14. Seike M, Ikeda M, Matsumoto M, Hamada R, Takeya M, Kodama H. Hyaluronan forms complexes with low density lipoprotein while also inducing foam cell infiltration in the dermis. J Dermatol Sci. 2006 Mar;41(3):197-204. doi: 10.1016/j.jdermsci.2005.10.008
  15. Hamilton RT, Asatryan L, Nilsen JT, Isas JM, Gallaher TK, Sawamura T, Hsiai TK. LDL protein nitration: implication for LDL protein unfolding. Arch Biochem Biophys. 2008 Nov 1;479(1):1-14. doi: 10.1016/j.abb.2008.07.026
  16. D’Acunto C, Pazzaglia M, Raone B, Misciali C, Badiali L, Neri I, Patrizi A. Xanthelasma palpebrarum: a new adverse reaction to intradermal fillers? Br J Dermatol. 2013 Feb;168(2):437-9. doi: 10.1111/j.1365-2133.2012.11152.x
  17. Esmat S, Abdel-Halim MR, Fawzy MM, Nassef S, Esmat S, Ramzy T, El Fouly ES. Are normolipidaemic patients with xanthelasma prone to atherosclerosis? Clin Exp Dermatol. 2015 Jun;40(4):373-8. doi: 10.1111/ced.12594
  18. Platsidaki E, Kouris A, Agiasofitou E, Antoniou C, Kontochristopoulos G. Periorbital Hyperpigmentation in Patients with Xanthelasma Palpebrarum: An Interesting Observation. J Clin Aesthet Dermatol. 2016 Apr;9(4):52-54
  19. Nair PA, Singhal R. Xanthelasma palpebrarum – a brief review. Clin Cosmet Investig Dermatol. 2017 Dec 18;11:1-5. doi: 10.2147/CCID.S130116